Es kommt darauf an, wie.
Karl Müller
Die Fotografie scheint sich im Übergang zur digitalen ,Optimierbarkeit‘ zunehmend zum Ausdrucksmedium bestimmter Positionen oder auch Dispositionen gegenüber der abbildbaren Welt zu entwickeln. Die Wahrhaftigkeit fotografischer Bilder als treue Berichterstatter durch Wirklichkeitsverdopplung hat endgültig ausgedient. Was die fotografisch reproduzierte Welt ,hergibt‘, scheint nicht annähernd mehr in der Lage zu sein, die zunehmend komplexer werdenden Zustände unserer Umwelt, unseres globalen Mit- und Gegeneinanders, der gigantisch angewachsenen Medienindustrie zu visualisieren. Anspruchsvolle fotografische Präsentationen tragen Botschaften auf vielen Ebenen weiter: Über die maßgebliche und direkte Bildinformationsebene transportieren sie immer auch die medienspezifische Problematik: eben doch nur ein Ausschnitt, ein einziger (stets vergänglicher) Aspekt, eben nur ein Bild oder oft auch ein Trugbild zu sein.
Als Bildbetrachter müssten wir mehr über die Welt wissen, um uns einfach auf die fotografischen Bildinformationen verlassen zu können. Wir benötigten Hintergrundwissen über die Absicht des Fotografen, die technischen Möglichkeiten der Bildbearbeitung, die Ziele und Interessen der Medienbetreiber, über Strategien und Träume all jener, die fotografische Bilder im Kampf um Meinungen und Bewusstseinsbildung einsetzen. Nur dann können fotografische Bilder angemessen beurteilt und in einen Zeitbezug gesetzt werden. Eine Reihe von Theoretikern sieht daher gerade in der Werbe- und Modefotografie die zuverlässigsten Zeugnisse des Zeitgeistes und des Zustandes einer Gesellschaft.
Auch die Rolle des Fotografen muss sich ändern. Er ist gefordert, nicht nur Apparatebediener zu sein, sondern den Bearbeitungs-, Präsentations- und Gestaltungszusammenhang über seine Abbildungsproduktion hinaus mitzugestalten.
Aus dem linearen Neben- und Nacheinander der Bilder erleben wir gegenwärtig die Gleichzeitigkeit der Bilder, ihrer Stile und Moden. Während in der Vergangenheit die Bilder nach dem Leben entstanden, orientiert und gestaltet sich jetzt das Leben nach den Bildern. Bestens zu beobachten am Beispiel der Popindustrie, der Video-Clips, der Retro-Moden und des Industrie-Designs. Es sind zusammengenommen Zeichen für eine Art ,Rasender Stillstand‘ (Virilio 1990). Die Schnelligkeit, in welcher neue Bildsprachen, subkulturelle Zeichen und Moden entstehen, in kürzester Zeit vermarktet und verbraucht werden, hat sich rasant beschleunigt. Globale Bildverlage wie Getty Images schlucken diese Bilder und werfen sie als Bausteine eines idealisierten Weltbildes wieder auf den Markt.
Wesentlich ist, dass Bilder Fragen an den Betrachter richten – Fragen, die mit unserer Gegenwart zu tun haben. Die Fotomontage ist dazu eine ihrer wirkungsvollsten Möglichkeiten.